Mythen und Wahrheit zur sogenannten "Neuen Gentechnik"

 

 

Es ist wesentlich, nicht dem hypothetischen Wunschdenken den Vorrang zu lassen, sondern dem durch inter – und intradisziplinäre Analyse nachhaltigstem Lösungsweg. (Dr. Ricarda Steinbrecher – Mitglied der internationalen Expertengruppe (AHTEG) zur Synthetischen Biologie der UN Konvention für Biologische Vielfalt)

Damit wir mitreden können!

Die
Behauptungen

Die
Fakten

Wir benötigen die sogenannte „Neue Gentechnik“, um auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren.

Es geht eben leider nicht um EINEN Klimawandel. Wir sehen uns immer erratischeren und nicht vorhersagbareren Wetterbedingungen, bzw. -extremen gegenüber. Die Lösung liegt deshalb sicher nicht in der Entwicklung einer Pflanze, die mit einer extremen Situation umgehen kann. Anstelle von möglichst einheitlichen Feldern mit möglichst einer auf ein Extrem „optimierten Pflanze“ liegt eine sinnvolle Strategie darin, möglichst verschiedene Pflanzen auf dem Acker zu haben. Es geht darum, die Resilienz der Anbausysteme und der Böden zu erhalten.

 

Dies wäre auch in Bezug auf Bodenschutz oder Schädlingsdruck eine gute Strategie. Wenn wir nur eine Pflanze mit einer Anpassung (möglicherweise gegen einen Schädling) auf dem Acker haben (also genetisch identische Pflanzen), hat ein entsprechender Schädling (oder ein Pathogen) im Zweifel einen reich gedeckten Tisch vor sich.

 

Es befindet sich derzeit keine Pflanze in der Entwicklung, die in irgendeiner Form fit gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels ist.

Wir benötigen die sogenannte
"Neue Gentechnik",
um den Hunger in der Welt zu stillen.

Schon der Weltagrarbericht kam zu der Erkenntnis, dass die beste Lösung für das Hungerproblem eine regional angepasste, nachhaltige Landwirtschaft ist. Im Weltagrarbericht fassten über 400 Wissenschaftler:innen und Wissenschaftler im Auftrag der Weltbank und der UN den Stand des Wissens über die globale Landwirtschaft, ihre Geschichte und Zukunft zusammen.

Aktuell erzeugen wir auf unserem Planeten keineswegs zu wenig Lebensmittel; Hunger ist kein Produktionsproblem, sondern ein massives Verteilungsproblem. Fakt ist: Aktuell hungern über 800 Millionen Menschen weltweit, während 1,9 Milliarden an Übergewicht und krank machender Fettleibigkeit leiden. Von den 2,8 Milliarden Tonnen Getreide, die 2021 weltweit geerntet wurden, dienten nur rund 42 Prozent als Lebensmittel. Der Rest wurde zu Tierfutter, Treibstoff oder für Industrierohstoffe verwendet. Fakt ist auch: Unser Ernährungssystem ist eine der wesentlichen Ursachen für den Klimawandel, das Artensterben, für Umweltverschmutzung, Wasserknappheit, vermeidbare Krankheiten, Kinderarbeit, Armut und Ungerechtigkeit.

Aktuell finden sich aber keine NGT-Pflanzen in den Entwicklungspipelines, die auch nur annähernd das Potenzial hätten, diese Wunschvorstellung zu erfüllen…

 

Auf den Punkt gebracht lässt sich sagen: NGT setzen auf das Prinzip Hoffnung in mögliche, in ferner Zukunft liegende Entwicklungen; das Prinzip Vernunft hingegen setzt auf einen kleinstrukturierten, lokal angepassten und vielfältigen Anbau!

Was befindet sich auf dem Markt?

  • Artic Apfel auf dem US-Markt (nicht bräunender Apfel)
  • White Russet Kartoffel auf dem US-Markt (widerstandsfähiger gegen unschöne grau-schwarze Flecken)
  • Cibus-Raps auf dem US- und Kanadischen Markt (herbizidresistenter Raps)
  • Calyxt-Sojabohne auf dem US-Markt (weniger gesättigte Fettsäure)
  • Sicilian Rouge High GABA-Tomate auf dem japanischen Markt (erhöhter Gamma-Amino-Buttersäure (GABA)-Gehalt)

Was befindet sich in der Forschungspipeline

  • Forschungsprojekte Pflanzen mit veränderten Fettsäurezusammensetzung
  • Forschungsprojekt PILTON gestartet: Weizen mit einer besseren und dauerhaften Widerstandsfähigkeit gegenüber Pilzkrankheiten

Ansonsten scheinen die Forschungsansätze einer geradlinigen Fortsetzung der bisherigen gentechnischen Veränderungen zu entsprechen: Es geht im Wesentlichen um Herbizid-Resistenzen. Hier zeigt allerdings die Erfahrung, dass damit mittelfristig nicht der Einsatz von Pestiziden verringert wird, sondern durch Auskreuzungen sogenannte resistente Superunkräuter auftreten.

Wirkliche Lösungen bringt eine diverse, kleinstrukturierte Landwirtschaft, die an die lokalen Möglichkeiten und Notwendigkeiten in der Region angepasst ist.:

Die sogenannte „Neue Gentechnik“ ist eigentlich keine Gentechnik, denn es wird mit ihrer Hilfe keine artfremde DNA in die Pflanze eingeführt.

Entscheidend für einen „Gentechnisch veränderten Organismus (GVO)“ ist nicht das Vorhandensein artfremder DNA, sondern das Verfahren, mit dem dieser erzeugt wurde.

Zusätzlich zu beachten ist: „In den meisten Fällen der Genom-Editierung wird CRISPR/Cas9 zuvor als Fremdgen `eingebaut´, damit der Organismus die `Gen-Schere´ selber produzieren kann. (…) Dieses Fremdgen (Transgen) kann später durch Kreuzungen und Selektion meist wieder entfernt werden, doch öfters bleiben kleinere DNA-Sequenzen unbeabsichtigt im Genom des Organismus zurück (…) So wurden z.B. bakterielle Antibiotikaresistenzgene in genom-editierten hornlosen Rindern gefunden (Norris et al., 2020).“ (Dr. Ricarda Steinbrecher)

Wir benötigen die sogenannte „Neue Gentechnik“ auch in Bezug auf das grassierende Artensterben; sie ist ein wichtiger Baustein für die kleinen Saatguterzeuger:innen.

Die sogenannte „Neue Gentechnik“ und die aus ihr resultierenden Produkte tragen bereits heute zu einer massiven Zunahme von Patenten bei. Diese Patente verringern die Möglichkeit, dass auch in Zukunft auf einen möglichst großen Pool an genetischer Vielfalt zurückgegriffen werden kann. Die großen Agrochemie- und Saatgutunternehmen nutzen in einem von Konzentration und Konkurrenz geprägten Marktumfeld schon heute die neuen

gentechnischen Verfahren, um sich über deren Patentierung ihren Anteil am globalen Kuchen zu sichern.

Kritik an der sogenannten „Neuen Gentechnik“ ist Wissenschafts- und Forschungs-feindlich.

Die Wissenschaft ist sich einig, dass die sogenannte „Neue Gentechnik“ das Potential hat, uns bei zentralen Herausforderungen der Zukunft Lösungen zu bieten. Wenn wir den Rechtsrahmen nicht anpassen und die „Neue Gentechnik“ nicht deregulieren heißt das, „Europa wird als Forschungs- und Wirtschaftsstandort für die Pflanzenzucht in der Welt weiter zurückfallen.“

Dieser vorgebrachten Behauptung fehlt jeglicher Beleg. Die derzeitige Diskussion dreht sich um eine mögliche Neuregulierung der Zulassung von mit der sogenannten „Neuen Gentechnik“ hergestellten Pflanzen. Die Forschung an solchen Pflanzen ist davon gar nicht betroffen.

 

„Die Tatsache, dass bestimmte Produkte reguliert sind, bedeutet nicht, dass diese verboten sind, nicht gehandelt oder benutzt werden können. Im Gegenteil, es bedeutet viel mehr, dass durch eine gute Regulierung die Sicherheit solcher Produkte gewährleistet wird, ob dies Arzneimittel sind, abgefülltes Trinkwasser, Farben auf Spielzeug, Pestizide oder GVOs.“ (Dr. Ricarda Steinbrecher)

„Die von NBTs/NGTs erzeugten Mutationen unterscheiden sich nicht von denjenigen, die mittels tradierter, d.h. chemisch oder physikalisch induzierter Mutagenese oder im Zuge natürlicher Kreuzung und Rekombination oder jederzeit von Natur aus entstehen.“

(Prof. Dr. Hans-Georg Dederer)

Es gibt klare und gravierende Unterschiede, die zeigen, dass die Zufallsmutationen der klassischen Mutationszüchtung und gezielte Mutationen mit CRISPR/Cas nicht gleichgesetzt werden können oder sollten:

  • Veränderungen mehrerer identischer DNA-Sequenzen zur gleichen Zeit (alle Genkopien werden gleichzeitig verändert). Dies führt zu einem völlig neuen Genotyp, der so durch klassische Zufallsmutationsmethoden nicht erreicht werden kann.
  • Multiplexing: Gezielte Veränderung mehrerer verschiedener DNA-Sequenzen zur gleichen Zeit und wiederum mit gleichzeitiger Veränderung aller Genkopien.
  • Veränderung von besonders geschützten Gensequenzen des Erbgutes, die bei herkömmlicher klassischer Mutation nicht erreicht werden. Die Annahme, dass Zufallsmutationen überall im Genom/Erbgut auftreten, ist falsch. Bestimmte DNA-Regionen und Gene sind spezifisch gegen zufällige Mutationen geschützt aufgrund von a) spezieller „Schutz-Verpackung“, epigenetischen Marker, Heterochromatin, Histon-Modifikation, DNA-Sequenz, und b) spezifischen und unterschiedlichen Reparaturmechanismen und -prozessen. (Kawall 2019; Belfield et al. 2018).

Genome-Editing ist also folglich in der Lage, evolutionäre Grenzen zu durchbrechen, mit noch nicht untersuchten und daher auch nicht vorhersagbaren Folgen. (Dr. Ricarda Steinbrecher)

 

Gen-Editierung macht das gesamte Genom für Veränderungen zugänglich – im Gegensatz zu natürlich vorkommenden Veränderungen: https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpls.2019.00525/full

https://www.nature.com/articles/s41586-021-04269-6

NGT sind viel präziser als bisherige Züchtungstechniken, dadurch ist ihr Risiko auch ungleich geringer.

Der Begriff Genauigkeit (Präzision) gründet sich auf der Annahme, dass man weiß, was man tut – dass man die Gesamtzusammenhänge kennt und versteht. Dies ist hier nicht der Fall. Durch CRISPR/Cas verursachte Veränderungen am Erbgut können neben den gewünschten Veränderungen auch in andere, unbeabsichtigte Signal- oder Stoffwechselwege eingreifen: Stoffwechselwege stehen in engem Austausch miteinander. Damit einher geht die Möglichkeit von ungewollten Effekten. Pflanzen treten in ihrem jeweiligen Ökosystem mit vielen anderen Arten in Wechselwirkung. Je mehr Pflanzenarten der gentechnischen Veränderung zugänglich werden, desto größer ist das Risiko für unerwartete und unerwünschte Effekte auf die Umwelt. Allfällige Auswirkungen auf die Nahrungsnetze und Ökosysteme sollten deshalb im Rahmen einer Risikobewertung genau untersucht werden.

 

Präzision und Sicherheit können nicht gleichgesetzt werden. Auch bei vermeintlich präzisen Eingriffen mit der sogenannten „Neuen Gentechnik“ steigt mit der Häufigkeit der Anwendung das Risiko. Wenn in einem relativ kurzem Zeitraum eine relativ große Zahl an Pflanzen verändert wird und in das Ökosystem gelangt, können auch wenige „non target“-Effekte eine erhebliche Auswirkungen auf das Ökosystem haben, also ein großes Risiko darstellen.

Die Kennzeichnung von Pflanzen, die mit der sogenannten „Neuen Gentechnik“ hergestellt wurden, ist nicht möglich, da sie bei gleicher genetischen Veränderung nicht von solchen Sorten unterschieden werden können, die durch zufällige Mutation gezüchtet wurden.

Sollte eine gewissenhafte und hinreichende Analyse bestätigen, dass zwischen zwei solchen Pflanzen kein genetischer und transkriptioneller Unterschied besteht, dann stellt dies ja bereits eine wissenschaftliche Risikobewertung dar, wie sie die derzeitigen GVO-Regeln vorschreiben.

 

„Identifizierung ist möglich. Doch wie auch bei herkömmlichen GVOs, die nicht mit Marker-genen oder verbreiteten Promotorsequenzen modifiziert wurden, ist eine Identifizierung nur dann möglich, wenn bekannt ist, um welche Sequenzen es sich handelt. Dies bedarf der Angaben des Herstellers.“ (Dr. Ricarda Steinbrecher)

 

Zugleich ist dieses Argument äußerst fragwürdig, denn schon aktuell gibt es zahlreiche Anträge auf Patente für Pflanzen, die mit der sogenannten „Neuen Gentechnik“ manipuliert wurden. Um die Patenterechte durchzusetzen muss es auch einen Nachweis geben.

Die ARGE Gentechnik-frei ist davon überzeugt, dass für eine valide Einschätzung und Einstufung von NGT eine umfassende Bewertung gleichermaßen auf juristischer, fachlich-wissenschaftlicher, politischer und marktrelevanter Ebene erfolgen muss.

Quelle: ARGE Gentechnik-frei, www.gentechnikfrei.at 

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